Gladiatoren und Maße – Salomé

Salomé

Gladiatoren und Maße

06. April – 28. Mai 2006   

Salomés „Gladiatoren und Maße“ bestehen aus drei Gruppen von Werken, in de­nen er sich mit dem Akt und seiner langen kunst­ge­schicht­lichen Tra­dition auseinan­der­setzt. Die größte Gruppe der Bilder besteht aus psychologisch eindringlichen Portraits unbekleideter Mo­del­le jeweils vor einem goldenen, sil­bernen oder bronzenen Hintergrund – ein ironischer Kom­men­tar auf den Aus­zeichnungswahn unserer Gesellschaft, so Salomé. Die Bilder von Ring­kämpfern sind dage­gen Akte von Körpern in Bewegung. Im Vordergrund steht ein schon klassischer Kör­perkult im olym­pischen Geist sportlichen Wettbewerbs, ein fast tänzerischer Aus­druck von dy­na­mischen Kräften in einem beweglichen Balance­akt.

Die dritte Gruppe von Akten nimmt Bezug auf die Geschichte der Pro­portionenlehre in der Kunst. Ebenso erinnern die großformatigen Darstellungen von Körpern vor einem Raster an polizeiliche Portraitaufnahmen von Straftätern in Front und Profil. In der Tat stellen die Bilder sowohl visuelle als auch ideengeschicht­liche Bezüge zu den polizeilichen Identifikationsmethoden dar, die auf Anthrop­o­me­trie und neuerdings auch Biometrie basieren. Salomés Bilder objektiv vermessener indivi­duel­ler Körper schweben irgendwo zwischen Akt und Portrait, ohne sich wirklich auf eines der beiden Genres festlegen zu lassen. Als eigentliches Thema der Bilder entpuppt sich damit die Spannung zwischen Individualität und Norm, zwi­schen der konkreten und sinnlichen Körperlichkeit der Figuren mitsamt ihren Ei­genhei­ten und Besonderheiten und dem abstrakten, quantifizierenden Raster, wie auch das Verhältnis von Individuum zu spätkapitalistischer Warenwelt. Denn diese modernen Gladiatoren kämpfen nicht auf Leben oder Tod in der Are­na, sondern werden uns von drei Seiten in voller Lebensgröße zur Begut­achtung präsentiert. Die Situation ähnelt also eher einem Sklavenmarkt als den Zir­kus­spielen. In einer Gesellschaft, die mehr von internationalen Konzernen als von nationalen Regierungen gelenkt wird, bleibt immer weniger Raum für einen wirk­lich authentischen Selbstausdruck, der nicht nur einer vorgefertigten Scha­blone entspringt. Sexualität und Erotik sind natürlich selbst auch in dieser Span­nung zwischen Selbstbehauptung und Warenaustausch gefangen, die in un­se­rer Zeit den klassischen Gegensatz zwischen Körper und Geist abgelöst hat. Gerade in der schwulen Szene, wo männliche Sexualität unter sich bleibt und rein körperlicher Sex häufiger ist als in der heterosexuellen Welt, erscheint der Warencharakter des gegenseitigen Körperkonsums besonders ausgeprägt. Se­xua­lität stellt jedoch auch gerade die Kraft dar, die immer wieder aus den Be­schränkungen des gesellschaftlichen Regelwerks auszubrechen und sich neue Wege zu bahnen droht. Als solche ist sie in der Lage, nicht nur die Grenzen des rationellen Rasters zu sprengen, sondern auch die des verstandesmäßigen Egos, also der bewusst erlebten Individualität.

Salomés Gladiatoren-Bilder er­zeu­gen somit eine Vielzahl von Spannungen, die nicht aufgelöst werden. Und das ist gut so, denn es entspricht unserer Le­benswirklichkeit, in der wir diesen Widerstreit tagtäglich erleben, in der wir den Kampf um die Selbstbehauptung gegenüber der verlockenden und nivellieren­den Sogwirkung von Werbung und Warenkonsum ununterbrochen erneut füh­ren müssen. In witziger Pointe kann sich jeder selbst in Salomés leerem Raster­bild messen. Denn das Raster, das sich weit über den Bildrahmen hinaus er­streckt, weil es in unseren Köpfen ist, umfängt uns schließlich alle.   

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Salomé

Gladiatoren und Maße

6 April – 28 May, 2006

“Gladiators and Measures” consists of three groups of works that address the male nude and its long tradition in art history. The largest group of works is made up of psychologically intense portraits of nude models set before a golden, a silver and a bronze background. The images of wrestlers, on the other hand, depict nude bodies in motion. They focus on a classical cult of the male body in the olympic spirit of athletic competition, a dancerly expression of dynamic forces in an act of mobile balance.

The third group of nudes refers to the history of theories of human proportions in art. The life-size depictions of bodies set before a grid pattern also remind us of police photographs of criminal offenders taken in front and profile view. The images do indeed make a visual and history-of-ideas reference to police identification methods based on anthropometry and biometry. The true subject matter of the paintings, which hover somewhere between the portrait and the nude, turns out to be the tensions between individuality and norm, between the concrete and sensual physicality of the bodies with all their distinguishing features and quirks and the abstract, quantifying grid, as well as between the individual and the reified world of commodities in late capitalism. These tensions are not resolved, which is a good thing because it corresponds to our life experience: the struggle to assert our individual identities against the tempting and levelling pull of a maelstrom of advertising and commodity consumption is one that we have to fight every day. In a witty turn we can all measure ourselves in Salomé’s empty grid painting. For the grid, being in our heads, extends far beyond the frame of the image to envelop us all.   

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