Holger Bär
Preußisch Blau Berlin
14. September – 18. November 2006
Holger Bärs neue Bilder zeigen großformatige Ansichten Berlins. Der Titel der Ausstellung bezieht sich zum einen auf die Farbgebung der Bilder: Sie sind ganz in Weiß, Grautönen und in dem dunklen Blau gemalt, das seinen Namen den Uniformröcken der preußischen Armee verdankt. Inhaltlich spielt der Titel auf den geschichtlichen deutschen Staat an, in dem sich oft die konservativsten und fortschrittlichsten Tendenzen gegenüberstanden. Diese Verzahnung von Tradition und Moderne ist auch im heutigen Stadtbild Berlins deutlich sichtbar. Bärs Interesse gilt den urbanen Prozessen, die seit der Wende in Berlin besonders rasant verlaufen sind und in vielen Hinsichten die vorher über Jahrzehnte fast eingefrorene Stadtlandschaft eindrucksvoll umgestaltet haben.
Das Ineinandergreifen von alten und neuen Strukturen entspricht Bärs künstlerischem Arbeitsprozess, der weit mehr ist als bloß ein Verfahren. Ausgangspunkt der Arbeiten sind digitale Schnappschüsse der Stadt, die am Computer manipuliert und dann von speziellen Malmaschinen, die Bär in jahrelanger Arbeit entwickelt hat, Pixel für Pixel, Pinselstrich für Pinselstrich auf die Leinwand übertragen werden. Bärs Vorgehensweise bewirkt somit also eine Rückübersetzung der digitalen Vorlagen in das traditionelle (analoge) Medium der Ölmalerei. Die gleichzeitige Vergrößerung der Motive verleiht ihnen zudem eine Monumentalität und Präsenz, die weit über die von Gelegenheitsaufnahmen hinausgeht.
Durch ihre blau-graue Farbgebung und Körnigkeit erinnern Bärs Bilder an die verschwommenen Aufnahmen von Überwachungskameras, wie sie im städtischen Umfeld allerortens anzutreffen sind und die zusammen ein eng geknüpftes Netz über die ganze Stadt spannen. Dies macht sie angesichts der gerade wieder entbrannten Diskussion um staatliche Überwachung, innere Sicherheit, Rasterfahndung und die gefährliche Aufweichung der Grenzen zwischen dem öffentlichen Bereich und privater Sphären hochgradig brisant. Aufgeworfen werden zudem Fragen hinsichtlich der visuellen Wahrnehmungskultur unserer Zeit, einer Zeit, in der die allgegenwärtigen Digitalkameras kaum mehr bewältigbare Bilderfluten hervorgebracht haben und durch die Mühelosigkeit des Fotografierens eine Art visueller Wegwerfkultur entstanden ist. In ihren Motiven verweisen die Bilder dabei auf die Geschichte der Darstellung der Großstadt in der modernen Kunst, sowohl in der Malerei als auch in der street photography. Anders als in der street photography zielen Bärs Bilder jedoch nicht mehr auf den entscheidenden Augenblick ab, der das Singuläre einer Situation herausstellt, sondern verschreiben sich einer allgemeingültigeren Perspektive, die dennoch klar die Besonderheiten Berlins herausarbeitet. Nicht zuletzt machen Bärs Arbeiten den fast alchemistischen Umwandlungsprozess sichtbar, der aus den Datenströmen der information super-highway wieder plastisch greifbare Bilder schafft. Die Rückstände des Prozesses – die Verwischungen, die durch die „imperfekt“ arbeitenden Malmaschinen entstehen – erinnern uns daran, dass die Wahrnehmung der Wirklichkeit einer aktiven Anstrengung bedarf: Bärs Bilder sind nicht statisch. Sie flimmern, vibrieren, rauschen, pulsieren. Der alchemistische Verbrennungsvorgang läuft im Auge und im Gehirn des Betrachters weiter. Und wie bei jedem alchemistischen Experiment ist der Prozess nie ganz sauber, nie ganz steuerbar und auch nie ganz ungefährlich.Holger Bär
Prussian Blue Berlin
14 September – 18 November, 2006
Holger Bär’s new images present large-format views of Berlin. The title of the exhibition refers to the color scheme of his paintings: they are painted in white, shades of gray and the dark blue that owes its name to the uniforms of the Prussian army. With regard to content the title alludes to the historical German state where the most conservative tendencies often met head-on with the most progressive ideas. The juxtaposition of tradition and modernity is also very apparent in the present appearance of Berlin as a city, especially since its reunification.
The amalgamation of old and new structures is one of the hallmarks of Bär’s artistic process, which is far more than a mere procedure. Painting machines, developed by Bär himself in the course of many years, transpose manipulated digital photographs onto the canvas, pixel by pixel, brushstroke by brushstroke. They thus effect a retranscription of the digital image into the (analogue) medium of oil painting.
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