Der erste Teil der Ausstellung, anlässlich Salomés 70. Geburtstages, zeigte einen Einblick in sein Schaffen der letzten 50 Jahre. Der zweite Teil widmet sich nun den ersten zehn Jahren seiner Laufbahn, von 1974, dem Jahr der Aufnahme seines Kunststudiums an der Hochschule der Künste Berlin (heute UdK) bis 1984, der Ausstellungsbeteiligung im MoMA, New York – eine wirklich beeindruckende Karriere.
Salomé, 1954 geboren als Wolfgang Ludwig Cihlarz in Karlsruhe, ist einer der bedeutendsten Wegbereiter einer freigeistigen und diversen Generation, die das wilde West-Berlin der 1970er und 80er maßgeblich prägte. Seine Werke, darunter viele Selbstportraits, spiegeln die energiegeladene und rebellische Punk-Atmosphäre dieser Zeit wider. Der Schwerpunkt dieser frühen Werke liegt in der Darstellung einer schamlosen Körperlichkeit und freien Sexualität, insbesondere auch einer aktiv gelebten und zur Schau gestellten Homosexualität, wie auch seiner Freude am Crossdressing („Stillleben für einen Transvestiten“, 1976).
Salomés großformatige Leinwände sind geprägt von einem gestischen Pinselduktus und einer intensiven Farbpalette, die seiner starken emotionalen und körperlichen Ausdruckskraft entsprechen. Seine expressive, figurative Malerei und ikonischen Performances stellten die zu dieser Zeit vorherrschenden Konventionen der Kunstwelt infrage und traten für eine Welt ein, in der Vielfalt und Selbstbestimmung oberste Priorität haben. Salomé studierte an der damaligen Berliner Hochschule der Künste (HdK) von 1974 bis 1980, in der Vorlehre bei Ulrich Knispel und danach als Meisterschüler bei Karl Horst Hödicke Malerei. 1977 war er mit Rainer Fetting (dessen Portrait von Salomé aus dem Jahr 1974 im Basement zu sehen ist) u.a. treibende Kraft bei der Gründung der Selbsthilfegalerie „Galerie am Moritzplatz“, in der eine Reihe der Künstler ausstellten, die in der Folge als die „Neuen Wilden“ berühmt wurden. Bereits im ersten Jahr nach Beginn seines Studiums nahm er 1975 am Kunstpreis Junger Westen in Recklinghausen teil. 1980 war er Teil der Ausstellung „Heftige Malerei“ im Berliner Haus am Waldsee. Bereits 1981 wurden seine Werke in „Figures, Form, Expressions“ im Albright-Knox-Museum, Buffalo gezeigt. Seinen internationalen Durchbruch als Künstler erlebte er 1982 mit seiner Teilnahme an der documenta 7 in Kassel. Zahlreiche bedeutende internationale Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen folgten: 1982 war er Teil der legendären „Zeitgeist“-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, Berlin, „Junge Wilde“ in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin, der Venedig Biennale sowie der Biennale in Sydney. 1983 folgte die Ausstellung „New Figuration“ in der F. S. Wight Art Gallery, UCLA, Los Angeles. Im selben Jahr wurden auch Werke in Japan im The National Museum of Art in Osaka gezeigt. Große öffentliche Aufmerksamkeit erfuhren seine Bilder 1984 in der Show „An international survey…“ im MoMA, New York, wo er 1987 noch einmal in der Ausstellung „BERLINART 1961-1987“ zu sehen war, die anschließend auch im MoMA in San Francisco gezeigt wurde; im Jahr darauf erfolgte die Teilnahme an „Refigured Painting in Contemporary German Art“ im Guggenheim Museum, New York. Hunderte von Ausstellungen folgten weltweit; er ist in renommierten nationalen und internationalen Sammlungen und Institutionen vertreten. Entdeckt und gefördert wurde Salomé von Thomas Ammann, der ihn auch das erste Mal in Zürich in seiner Galerie zeigte und und anschließend mit der ersten Ausstellungsbeteiligung in den USA an die Robert Miller Gallery nach NYC vermittelte. Ammann war es auch, der Salomé in die erste Ausstellung des wiedereröffneten MoMA nach dessen Umbau und Renovierung unterbrachte. Seine zweite Ausstellung in Zürich hatte Salomé dann bei dem bedeutenden Galeristen und Sammler Bruno Bischofberger, der ihn bis 1984 vertrat.
Die Ausstellung „SALOMÉ. 1974-1984“, HdK bis MoMA erinnert auch daran, dass die Errungenschaften in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit und sexuelle Vielfalt das Ergebnis eines langen und mutigen Kampfes sind. Die heutige Generation, die sich oft als Erfinder des Themas „Diversität“ betrachtet, ist sich selten bewusst, wie tief die Wurzeln dieser Bewegung in der Vergangenheit verankert sind. Doch Salomé und seine Zeitgenossen legten bereits in den 1970er und 80er Jahren den Grundstein dafür. In einer Zeit, als der Paragraph 175 Homosexualität noch kriminalisierte – er wurde erst 1994 abgeschafft! –, kämpfte er unerschrocken und bedingungslos für eine Gesellschaft, die Freiheit, Toleranz und sexuelle Selbstbestimmung als fundamentale Werte begreift. Seine Kunst und Performances, u.a. mit seiner Punkband „Geile Tiere“ zusammen mit Luciano Castelli, war stets nicht nur ein Ausdruck seiner selbst, sondern auch ein Akt des Widerstands gegen veraltete gesellschaftliche Zwänge und Vorurteile, ein mutiges Plädoyer für Individualität und gegen Konformismus. Mit seinen provokativen Outfits und ikonographischen Performances zwang er die Gesellschaft, sich mit Themen wie Geschlecht, Identität und Freiheit auseinanderzusetzen. Mit seinem kompromisslosen Engagement und seiner kraftvollen künstlerischen Sprache prägte er nicht nur seine eigene Generation, sondern auch die nachfolgenden – sein Einfluss auf die Kunstwelt ist unbestreitbar. Seine Kunst und sein mutiger Einsatz für Freiheit und Toleranz haben maßgeblich zur Gestaltung des heutigen Berlins beigetragen – eines Berlins, das weltweit für seine Offenheit und Vielfalt bekannt ist.
Die Ausstellung lädt alle ein, sich Salomés ambitionierten Einsatz für eine freie und diverse Gesellschaft bewusst zu werden und seinen Einfluss auf unsere heutige Zeit zu erkennen und zu würdigen. Seine Werke sind nicht nur Ausdruck seiner eigenen Identität und Epoche, sondern auch ein Zeugnis für die immer noch hochaktuelle Notwendigkeit, für eine Welt zu kämpfen, in der jeder Mensch frei und ohne Vorurteile leben kann.
Im Basement zeigen wir, neben zwei exemplarischen Männerakten auf Papier von 1983, Arbeiten der Weggefährten Luciano Castelli und Rainer Fetting. Die beiden standen Salomé in dieser Periode nicht nur persönlich sehr nahe, sondern arbeiteten auch vielfach künstlerisch mit ihm zusammen, musikalisch wie auch in einer Reihe gemeinsamer Gemälde. Castellis experimentelle fotografische Selbstportraits stellen, ähnlich wie bei Salomé, traditionelle Genderrollen in Frage und sind damit nicht nur bahnbrechend für ihre Entstehungszeit in den 1970ern, sondern auch heute noch spannend und relevant.
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The first part of the exhibition, on the occasion of Salomé’s 70th birthday, provided an overview of Salomé’s work of the past fifty years. In a second part, the exhibition now focuses on the crucial first ten years of his career, from the year he began studying art at the Berlin University of the Arts (HdK) in 1974 to his participation in an exhibition at MoMA, New York, in 1984—a truly impressive trajectory.
Salomé (whose real name is Wolfgang Ludwig Cihlarz), born in Karlsruhe, Germany, in 1954, is one of the most significant representatives of the free-spirited and diverse generation that profoundly shaped the wild West Berlin of the 1970s and 80s. His works, including many self-portraits, reflect the energetic and rebellious punk atmosphere that defined Berlin during that era. The emphasis in these early works is on the depiction of an unabashed physicality and liberated sexuality, particularly an openly lived and displayed homosexuality, as well as his joy in cross-dressing (“Still Life for a Transvestite,” 1976).
Salomé’s large-scale canvases are characterized by gestural brushstrokes and an intense color palette that corresponds to his strong emotional and physical expressiveness. His vigorous figurative painting and iconic performances challenged the prevailing conventions of the art world at the time and advocated for a world where diversity and self-determination are of utmost priority. Salomé studied painting at the Berlin University of the Arts from 1974 to 1980, initially under Ulrich Knispel and later as a master student under Karl Horst Hödicke. He was a driving force in the founding of the self-help gallery „Galerie am Moritzplatz“ in 1977, along with Rainer Fetting and others (Rainer Fetting’s portrait of Salomé from 1974 is on view in the basement). This gallery exhibited a number of artists who later became famous as the „Neue Wilde“ (New Wild Ones). Just one year after taking up his studies, he participated in the Kunstpreis Junger Westen in Recklinghausen in 1975. In 1980, he was part of the “Heftige Malerei” exhibition at Berlin’s Haus am Waldsee. By 1981, his works were featured in “Figures, Form, Expressions” at the Albright-Knox Art Gallery in Buffalo. His international breakthrough came in 1982 with his participation in documenta 7 in Kassel. Numerous significant international exhibitions and participations followed: in 1982, he was part of the legendary “Zeitgeist” exhibition at the Martin-Gropius-Bau in Berlin, as well as the “Junge Wilde” exhibition at the Permanent Representation of the Federal Republic of Germany in East Berlin, the Venice Biennale, and the Biennale of Sydney. In 1983, the exhibition “New Figuration” was held at the F.S. Wight Art Gallery, UCLA, Los Angeles, and in the same year, his works were also shown in Japan at the National Museum of Art in Osaka. His paintings experienced considerable public attention in 1984 during the “An International Survey…” exhibition at MoMA, New York, where he was featured again in 1987 in the “BERLINART 1961-1987” exhibition, which later traveled to MoMA San Francisco. The following year, he participated in “Refigured Painting in Contemporary German Art” at the Guggenheim Museum, New York. Hundreds of exhibitions followed worldwide; his works are included in renowned national and international collections and institutions. Salomé was discovered and promoted by Thomas Ammann, who was also the first to show him in Zurich in his gallery and subsequently arranged for his first exhibition in the USA at the Robert Miller Gallery in NYC. Ammann also organized Salomé’s inclusion in the first exhibition at the reopened MoMA after its reconstruction and renovation. Salomé then had his second exhibition in Zurich with the eminent Swiss gallery owner and collector Bruno Bischofberger, who represented him until 1984.
The exhibition „SALOMÉ. 1974-1984, HdK to MoMA“ serves as a reminder that the achievements regarding gender equality and sexual diversity are the result of a long and courageous struggle. The current generation, which often views itself as the inventor of the concept of „diversity,“ is rarely aware of how deeply rooted this movement is in the past. However, Salomé and his contemporaries laid the foundation for this in the 1970s and 80s. In a time when §175 (of the German Penal Code) still criminalized homosexuality—it wasn’t abolished until 1994!—he fought fearlessly and emphatically for a society that honors freedom, tolerance, and sexual self-determination as fundamental values. His art and performances, including those with his punk band „Geile Tiere“ (Horny Animals), were not only expressions of his own personality but also acts of resistance against outdated social constraints and prejudices—a bold plea for individuality and against conformity. With his provocative outfits and iconic performances, he forced society to confront issues such as gender, identity, and freedom. With his uncompromising commitment and powerful artistic language, Salomé not only shaped his own generation but also those that followed—his influence on the art world is undeniable. His art and courageous advocacy for freedom and tolerance have greatly contributed to shaping the Berlin of today—a city known worldwide for its openness and diversity.
The exhibition invites everyone to become aware of Salomé’s unwavering dedication to a free and diverse society and to recognize and appreciate Salomé’s impact on our present time. His works are not only an expression of his own identity and era but also a testament to the still highly relevant necessity of fighting for a world where everyone can live freely and without prejudice.
In the basement, in addition to two exemplary male nudes on paper from 1983, we are showing works by fellow artists Luciano Castelli and Rainer Fetting. The two were not only very close to Salomé personally during this period, but also collaborated with him artistically on many occasions, both musically and in a series of joint paintings. Castelli’s experimental photographic self-portraits, like Salomé’s, question traditional gender roles and are therefore not only groundbreaking for their time of origin in the 1970s, but also still exciting and relevant today.
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